Reisende Autorin

Catalina habe ich - wie alle "meine" Bikerinnen - via Facebook kennengelernt. Mir gefielen die Bilder, die Harley und überhaupt das Gesamtpaket. Sie hat mich bisher virtuell an ihren Reisen teilhaben lassen, so kam eins zum anderen und nun ist sie das Sommer-Portrait auf meinem Blog.

Sie ist Autorin und Digital-Nomadin. Immer mit ihrer Harley unterwegs auf der Suche nach Inspiration. Wie sie zum Motorradfahren gekommen ist und was sie darüber fühlt, erzählt sie Euch selbst:

November Rain

Meinen ersten und bisher einzigen Unfall hatte ich in der Fahrschule. Publikumswirksam mitten in der Dortmunder Innenstadt auf einer belebten Kreuzung rutschte ich auf vereisten Straßenbahnschienen aus und legte erst mal den Verkehr lahm (fragt bitte nicht, warum ich ich meinen Mopped-Unterricht ausgerechnet im November ableisten musste; mein Timing war schon immer mies). Mein erstes Motorrad, eine ausgemusterte, ausgelutschte BMW R60 der Bereitschaftspolizei, hielt keine drei Monate durch. Aber ich bekam eine Ahnung, was Motorradfahren bedeuten kann.

Joghurt ohne Kultur

Auf meinem zweiten und dritten Motorrad, klassische Joghurtbecher mit unerotischen Typenbezeichnungen, fühlte ich mich unwohl, obwohl ich brav diverse Schräglagen-, Kurven- und Sicherheitstrainings absolvierte. Ich hatte regelmäßig das Gefühl, das Bike fährt mit mir und nicht umgekehrt und der kleinste Fahrfehler würde mich in eine brennende Kanonenkugel verwandeln.
Zudem hat mich der Klang irritiert – mein letzter Knieschleifer hörte sich an wie ein Laubbläser auf Extasy – und die hyperoptimierte Plastik-in-Form-gepresste Fließbandoptik war auch nicht meins. Das Motorrad stand immer öfter ungenutzt herum und wurde schließlich verkauft. Motorradfahren hatte für mich vorläufig seinen Reiz verloren. An Chopper hatte ich nie gedacht; damit fuhren in unserer Gegend nur Typen mit Knasttattoos und Stahlhelmen herum.

Holy Shit - eine Harley

Nach mehrjähriger Abstinenz stach mich dann doch der berüchtigte Hafer. Ein Harley-Händler veranstaltete einen Probefahrtag, ich hatte zufällig Langeweile und meldete mich an.
Selbstverständlich wurde ich auf eine klitzekleine Sportster Iron gesetzt. (Bis heute rätsle ich übrigens, ob der Name »Iron« nur bei mir Assoziationen an ein Bügeleisen weckt. Sportster gelten ja – zu Unrecht – als Frauenmoped) Ich fuhr das Ding und dachte mir: »Alter Schwede, ist das LANGWEILIG!«
Dann durfte ich mich auf eine Dyna schwingen, mit welcher der Fahrer vor mir zweimal umgekippt war (wahrscheinlich dachte der Händler sich: »Fuck, jetzt isses auch egal«).
Ich dachte mir: »Holy Shit, macht das SPASS!« Keine zwei Wochen später holte ich meine nagelneue mattschwarze Dyna Street Bob ab. Ein Jahr später standen bereits 25.000km auf dem Tacho. Seitdem habe ich so ziemlich alles an Harley gefahren, was mir unter den Hintern kam – von röchelnden Panheads, die an jeder roten Ampel ausgingen, über Softails, deren Trittbretter in jeder Kurve Funken schlagen, bis hin zu dampfwalzenbereiften Eisdielen-Boliden.

Schlüssel zur Inspiration

Doch mein Dyna-Bastard ist und bleibt mein Schlüssel zur Freiheit – und das sieht man ihm mittlerweile auch an. Als Autorin kann ich größtenteils mobil arbeiten, was ich selbstverständlich weidlich ausnutze. Ich verbringe einen Großteil des Jahres als digitale Nomadin und wurde durch das Motorradfahren auch zu meiner erfolgreichen Rocker-Romanserie rund um den fiktiven Bullhead MC inspiriert.
Der Bastard wird von mir als Tourenmotorrad missbraucht und hat sich über den gesamten europäischen Kontinent bis nach Nordafrika bestens bewährt. Die Werkzeugrolle am Lenker habe ich bisher nur gebraucht, um anderen Fahrern aus der Patsche zu helfen. Nicht einmal mit einem platten Reifen kann ich aufwarten.
Mein Bastard hat viele Umbauten erfahren; Manche sind praktischer Natur, wie der USB-Anschluss für den Laptop in den Satteltaschen, andere dienen der Optik, wie der Rabenschädel über dem Vorderrad (ich sammle begeistert Tierschädel. Nein, ich bin nicht nekrophil) und natürlich wurde auch die Perfomance optimiert. Mein Schraubertalent hält sich in Grenzen. Ich kann simple Alltagsreparaturen und -wartungen erledigen und wissend nicken, wenn jemand was über rostige Schnupfnuppeln erzählt.
Als Ausgleich habe ich die Satteltaschen und die Werkzeugrolle selbst gefertigt und auch den Federsattel eigenhändig gepunzt und genäht.
Natürlich entspricht die Technik des Bastards nicht dem heutigen Stand, er ist zu schwer, zu unpraktisch, zu unperfekt im Windkanal und weiß-der-Geier-was. Miese Pisten haben ihre Spuren hinterlassen. Es gibt zweifellos erheblich tourentauglichere Bikes als eine Harley.
Vermutlich mag ich das Unperfekte; ich bin schließlich auch nicht lebensoptimiert. Der Bastard lässt sich in fast allen Lebenslagen von mir händeln und das Wichtigste: Wenn ich draufsitze, wüsste ich nicht, was es da noch zu optimieren gäbe. Ich habe Heidenspaß, bekomme viel von der Gegend mit und fühle mich jederzeit Frau der Lage. Außerdem finde ich ihn einfach schön.
Hinzu kommt diese herrliche rauschhafte Freiheitsgefühl, das sich vermutlich nur auf einem Chopper einstellt. Auf meinen früheren Motorrädern habe ich es jedenfalls nie erlebt.

Planlos und doch ans Ziel

In der Regel fahre ich ohne Plan los, habe nur ein vages Ziel, aber keinen Zeitplan im Kopf. Im Gepäck befinden sich neben Laptop und Handy mein bewährtes Leightweight-Zelt, ein Kocher, ein Schlafsack, eine Benzinreserve und outdoortaugliche Sachen.
Über die Jahre lernt man, dass man mit erheblich weniger Kram auskommt, als man denkt. Selbst, wenn ich über Monate unterwegs bin, habe Klamotten für maximal eine Woche eingepackt. Heutzutage kann man seine Wäsche überall waschen lassen. Verhungern muss man auch nicht.
Man lernt auch, dass man immer irgendwie durchkommt und wie großartig und einschüchternd zugleich es ist, einen ganzen Tag lang durch eine völlig menschenleere Gegend zu fahren.
Und natürlich bekommt man ziemlich häufig zu hören, dass es für eine Frau allein doch zu gefährlich ... Wenn mal was passiert ...
Blablub.

Emanzipation auf zwei Rädern

Bessie Stringfield, die schwarze »Motorcycle Queen of Miami«, darf uns da gern als emanzipatorisches Vorbild dienen. 1911 geboren, war sie die erste afroamerikanische Bikerin und sie ist mit ihrem Moped nicht nur bis zum nächsten Bikertreff gefahren.
Zu einer Zeit, da auch die weißen Frauen gemeinhin in Schürze und adretter Frisur am Herd standen, um Kekse für Pfadfinderinnen zu backen (aber ganz bestimmt nicht Motorrad fuhren), hat sie sich im Alter von 16 auf einer Indian Scout selbst das Fahren beigebracht und durchquerte auf ihrer Harley achtmal allein die USA. Unterwegs wurde sie natürlich regelmäßig mit teils gewalttätigem Rassismus und Vorurteilen konfrontiert. In einigen Staaten wurde ihr das Motorradfahren sogar behördlich untersagt und erst wieder gestattet, nachdem sie der Polizei in einer privaten Vorstellung ihr fahrerischen Können bewiesen hatte und Army-Kurierfahrerin im 2. Weltkrieg wurde.
Bessie fuhr ihre Harleys, bis sie im Alter von 82 Jahren an Herzversagen starb.
Was ich damit sagen will: Das Einzige, was eine Frau davon abhalten kann, zu fahren, wie und wo sie will, existiert nur im Kopf. Wir brauchen weder einen Darf-Schein noch rosa Lederkombi oder ein Rudel Biker samt Tourguide, wenn wir wohin wollen. Sonny Barger, der legendäre Hells Angels-Chef, hat übrigens mal sinngemäß gesagt, er fahre nie mit Frauen, weil die keine 300 Kilometer auf ihrem Bike durchhalten. Blödmann, der.

Zen - die Reise ins Nichts

Bis heute habe ich auf Tour keine schlechten Erfahrungen gemacht. Im Gegenteil sind die Menschen oft hilfsbereiter und freundlicher, als man glauben möchte. ich habe oft erlebt, wie sich ein ganzes Dorf überschlagen hat, um einem Motorradkollegen bei einer Panne zu helfen.
Als ich in Frankreich vermeintlich verloren ging (ich hatte lediglich mein Handy verloren und mich seit gefühlten Ewigkeiten nicht mehr gemeldet), haben die Hells Angels eine Suchkette in Gang gesetzt. Wenn ich mich nach Unterkünften erkundige, kommt es auch mal vor, dass mir ein komplettes Ferienhaus kostenlos zur Verfügung gestellt oder ein Zimmer in einem noch nicht eröffneten Luxushotel angeboten wird (das war zugegeben etwas gruselig – all die leeren Zimmer ...).
Unterwegs habe ich natürlich immer zahllose Old School-Biker, Tourenfahrer und Kraftradnomaden getroffen, die auch mal am Straßenrand zelten, leider waren nur sehr, sehr wenige Solo-Bikerinnen darunter.
Die meisten Frauen sind nicht gern allein über lange Strecken unterwegs, vor allem aus Sicherheitsgründen oder weil sie die Gesellschaft schätzen, aber vielleicht auch, weil sie denken, der Sache nicht gewachsen zu sein (aus leidlicher Erfahrung weiß ich aber, dass sich immer jemand findet, der einem hilft, die umgekippten 350 Kilo Bastard wieder in die Vertikale zu hieven. Männer brauchen da übrigens auch Hilfe).

Ich fahre selten länger als ein paar Tage zusammen mit anderen Bikern. Motorradfahren hat für mich etwas von Zen und zu-sich-selbst-finden und wen-interessiert-der-Tachostand? Wenn ich mir unterwegs eine Burgruine angucken möchte, dann gucke ich mir eben eine Burgruine an, ohne mich vorher lang und breit mit Mitfahrern abstimmen zu müssen. »Aber wir müssen doch bis achtzehn Uhr im Hotel einchecken!« Wenn ich fahre, muss ich gar nix.
Bikertreffs steuere ich auch nicht so gern an; zum Herumsitzen, Kaffeetrinken und Fachsimpeln über Schnupfnuppeln* brauche ich kein Motorrad. Die interessanten Zweiradbekanntschaften macht man sowieso an anderen Orten – zum Beispiel im Pariser Stau. Ein einheimischer Biker lotste mich aus dem Chaos hinaus und zum Schluss landete ich auf einer MC-Party, wo man mir auch gleich ein Gästezimmer zur Verfügung stellte.

Die Welt unter die Rädern nehmen

Mittelfristig plane ich, mit dem Bastard mal eine einjährige Tour bis nach Asien zu unternehmen. Im nächsten Winter bekommt mein Bike aber erst einmal eine dringend nötige Neulackierung und einen schicken Tank mit Barockmuster. Demnächst steht für mich ein Schrauberkurs an (damit ich anschließend auf einem Bikertreff beiläufig fallenlassen kann: »Die Schnupfnuppeln da, die habe ich übrigens handgedrechselt.«)

*Ja, ich weiß, es gibt keine Schnupfnuppeln. Aber ich lasse mir die Rechte an dem Wort trotzdem sichern, vorsichtshalber.

 


Als ich das gelesen hatte, war klar, dass ich daran kein Wort verändern darf. Weil sie genau das ausdrückt, was auch mir als Frau wichtig ist (auch wenn ich da nicht so radikal bin ;-) ) 

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